Heute möchte ich euch mein 2. Rosenmärchen präsentieren.
Ich habe es für das Rosenfest bei Primavera, am vergangenen Wochenende verfasst.
Letztes Jahr gab es den ersten Teil dazu. Diesen könnt ihr weiter unten finden.
Ich wünsche euch viel Freude mit meinen Märchen und freue mich über eine Rückmeldung von euch.
Dufte Grüße
Tanja Laupheimer
Rosalie
Vor vielen vielen Jahren
lebte ein kleines, 5-jähriges Mädchen namens Rosalie. Manche von euch haben
vielleicht schon mal etwas von ihr gehört. Manche vielleicht auch nicht. Ich
möchte euch heute von ihr erzählen:
Rosalie war ein
Waisenkind, denn ihre Eltern waren bei einem Unfall verstorben. Rosalie wohnte
seither bei ihrer Tante und ihrem Onkel. Dennoch fühlte sie sich schrecklich
allein und vermisste ihre Eltern sehr.
Rosalie war so traurig,
dass sie sich jeden Tag in ihrem Zimmer verkoch. Den ganzen Tag lag sie auf
ihrem Bett und dachte nach. Die Rollläden hatte sie bis ganz nach unten geschlossen,
so dass es beinahe völlig dunkel in ihrem Raum war. Sie hatte diesen Raum schon lange nicht mehr
verlassen und sie empfing auch keinen Besuch. Der einzigste Mensch, außer ihr,
der dieses Zimmer täglich für wenige Minuten betreten durfte war ihre Tante.
Jeden Morgen brachte sie ihr Frühstück ans Bett. Doch Rosalie brachte kaum
einen Bissen hinunter, obwohl sich ihre Tante solche Mühe gab und ihr immer
etwas besonders leckeres servierte. Normalerweise verschwand ihre Tante schnell
wieder, doch eines Tages war es anderes. Sie zog die Rollläden nach oben und
öffnete das Fenster. Das hatte sie noch nie getan. Dies war neu, neu für
Rosalie. Ihre Augen mussten sich erst an das helle Licht gewöhnen. Sie
blinzelte einige Male und blieb ganz still liegen, bis ihre Tante das Zimmer
wieder verlassen hatte. Erst dann schlich sie langsam auf Zehenspitzen zum
Fenster und blickte hinaus. Sie spürte den warmen Sommerwind auf ihrer nackten
Haut. Lange blieb sie am Fenster sitzen, hörte den Vögeln zu, betrachtete die
Schmetterlinge die lustig umher tanzten, staunte über die bunte Blütenbracht
und schnupperte ihren herrlichen Duft.
Erst nach langer Zeit,
kam ihr der Gedanke nach draußen zu gehen. Sie wollte das saftige Gras unter
ihren Füßen spüren. Langsam ging sie zum Kleiderschrank, der ganz hinten in der
Ecke des Raumes stand. Sie öffnete die Tür und blickte hinein. Was sollte sie anziehen?
Sie hatte schon so lange nichts anderes mehr angezogen als ihre Nachthemden. Ob
ihr überhaupt noch etwas passen würde? So lange hatte sich nichts mehr Warmes
gegessen, ganz dünn war sie geworden. Vorsichtig fing Rosalie an die
Kleidungsstücke auf den Bügeln hin und her zu schieben. Sollte sie das
hellblaue Kleid anziehen? Oder lieber die Bluse die sie früher so gerne
getragen hatte? Sie war unschlüssig. Beinahe war sie soweit den Kleiderschrank
wieder zu schließen und sich zurück ins Bett zu legen, doch dann entdeckte sie
etwas Rosanes. Was war denn das? Rosalie musste sich ganz nach unten bücken
und sich richtig strecken, dass sie dieses rosane Etwas greifen konnte.
Behutsam nahm sie es in die Hand und holte dieses Ding heraus. Sie betrachtete
es neugierig von allen Seiten. Es fühlte sich gut an in ihrer Hand, warm und
weich zugleich. Wenn sie es ein wenig drückte konnte sie etwas Hartes unter dem
rosa Stoff fühlen. Was da nur so besonders schön eingepackt war? Ob sie es
auspacken dürfte? Rosalie blickte sich im Zimmer um. Es war ja niemand da. Sie
konnte es hinterher heimlich wieder einpacken und zurück legen. Das würde
sicherlich niemand bemerken.
Äußerst vorsichtig löste
Rosalie die Schleife und faltete den rosa Stoff auseinander. Zum Vorschein kam
ein kleines, wunderschön verziertes Fläschchen. Es glitzerte und funkelte in
allen möglichen Farben. Wundervoll sah das aus. Hatte sie einen Schatz
gefunden? Wer hatte diesen in ihrem Kleiderschrank versteckt? Rosalie wurde
ganz aufgeregt. Ist das geheimnisvoll, dachte sie. Langsam drehte sie am
Verschluss um das Fläschchen zu öffnen. Zu groß war ihre Neugier. Sie musste
einfach wissen was sich darin verbirgt. Der Flaschendeckel war noch nicht
vollständig geöffnet, doch ein wundervoller, kostbarer Duft strömte aus der
Öffnung. Rosalie reckte ihre Nase und atmete tief ein und aus. Diesen Duft
hatte sie schon einmal gerochen. Nur wo? Sie dachte nach und dann viel es ihr
ein. Ihre verstorbene Mutter hatte immer so herrlich geduftet, nach dem sie ein
ausgiebiges Bad in der Wanne genommen hatte. Wie oft saß Rosalie gemeinsam mit
ihr in der Wanne und hatte danach genau so wunderbar geduftet. Jetzt erinnerte
sie sich. Als ihre Mutter das Badewasser in die Wanne einließ, hatte sie dieses
Duftsalz ins heiße Wasser gestreut. Der herrliche Duft verbreitete sich dann im
ganzen Raum. Rosalie hatte diese Momente direkt vor ihren Augen, so sehr
erinnerte sie der wundervolle Duft. Ihr wurde ganz warm ums Herz. Beinahe war
es ihr, wie wenn ihre Mutter sie fest in den Arm nehmen und an sich drücken
würde. „Rose“, murmelte Rosalie vor sich hin „Rose“. Genau es war der
Lieblingsduft ihrer Mutter, Rosenduft. Deswegen hatte sie Rosalie diesen Namen
bei ihrer Geburt gegeben. Weil ihre Mutter Rosen so liebte.
Rosalie schmunzelte vor
sich hin, hielt das kostbare Fläschchen wie einen Schatz in ihrer Hand und
bemerkte nicht, dass sich die Tür zu ihrem Zimmer geöffnet hatte. Ihre Tante
war herein gekommen, auch sie hatte den Duft bis nach unten in die Küche
gerochen. Auch sie hatte sich sofort an Rosalies verstorbene Mutter erinnert.
Ganz langsam ging sie auf Rosalie zu und nahm sie fest in ihre Arme. „Ich weiß,
du vermisst deine Mutter sehr“, sagte sie „Ich auch, aber diese wundervolle
Duft wird uns immer an sie erinnern“.
Rosalie schmiegte sich
fest in die Arme ihrer Tante, dachte an ihre Mutter und lächelte. „Ja dieser
Duft, wird mich immer an Mama erinnern“